Ein Jahrhundert lang gehörte die Neustadtmühle als wichtiger Faktor zur Peiner Wirtschaft. In Dokumenten ist die Mühle 1622 erstmals genannt, jedoch dürfte sie auch wesentlich älter sein. Frühere Dokumente dürften wahrscheinlich bei den beiden großen Stadtbränden im 16. Jahrhundert vernichtet worden sein.
Am 29. Oktober 1868 ersteigerte Wilhelm Knüppel die Neustadtmühle für 9595 Thaler und erwarb neben der Mühle und ihren Wohn- und Wirtschaftsgebäuden, dazugehörige Gärten, Äcker und Wiesen. So betätigte sich Wilhelm Knüppel auch Landwirtschaftlich und verkaufte Stangen für den Anbau von Erbsen, Stroh, Kalbfleisch, Butter, Milch und sogar Mist.
Mit der Mühle ging es Aufwärts und Knüppel stellte 1873 von der Lohnmüllerei zur Handelsmüllerei um, kaufte also Getreide ein und verkaufte das Mehl weiter. In der Mühle wurden auch Nachtschichten eingeführt um auf Vorrat zu mahlen, falls einmal eine Wasserarme Zeit einbrach.
1904 übergab Wilhelm Knüppel die Mühle seinen Söhnen Wilhelm und Otto und baute für sich das noch heute stehende Wohnhaus westlich der Fuhse, die ,,Knüppelsche Villa“ in welche er aber nicht mehr lange leben sollte, denn Wilhelm Knüppel sen. starb am 29. Mai 1905 im alter von 67 Jahren.
Die Brüder Wilhelm und Otto hinterließen keine männlichen Erben, welche die Mühle hätten übernehmen können, lediglich Wilhelm hatte einen Sohn der jedoch nach Südamerika auswanderte.
Ottos Tochter Margarete heiratete am 31. Januar 1931 den aus Schlesien stammenden Diplom-Ingenieur Otto Scheiblich, der 1957 Geschäftsführer der Mühle wurde.
Wenn man sich die Baustruktur und das Aussehen des Gebäudeteils, in welchem sich die Mühle befand anschaut und mit der Gifhorner Cardenap-Mühle vergleicht, müssten zu der damaligen Zeit beide Mühlen so ziemlich die gleiche Einrichtung und Mahlleistung gehabt haben. Da das letzte Mühlengebäude der Gifhorner Mühle 1907 und das der Peiner Mühle 1910 gebaut wurde, ist stark anzunehmen das nicht nur die Einrichtung und Mahlleistung so ziemlich die gleiche gewesen sein muss, sondern auch die Mühlen vom gleichen Bauunternehmen gebaut und der selben Mühlenbaufirma eingerichtet worden sein muss.
In der Folgezeit machte der Strukturwandel in der Landwirtschaft den Mühlen zunehmend zu schaffen, so das Otto Scheiblich mit Richard Vetter, der eine Brotfabrik in Dungelbeck betrieb, ins Gespräch kam einen Kontrakt mit ihm abzuschließen. Da Vetter aber unter Ausnutzung der modernen Technik das Brot rationell in Massen herstellte und es als Billigware an die Geschäfte und Supermärkte verkaufte, war die Stimmung der umliegenden Handwerksbäckern so gereizt das die Neustadtmühle keinen Kontrakt mit Vetter einging. Das Risiko war zu groß das die Bäckereien von der Neustadtmühle kein Mehl mehr kauften.
Die immer schlechter werdende Lage der Mühlen einerseits und der von der Vetter-Fabrik ausgehende Wettbewerbsdruck auf die Bäcker, ließ Scheiblich den Plan aufrufen zusammen mit den Bäckern des Kreises Peine eine Gemeinschaftsbäckerei an der Mühle zu errichten. Scheiblichs Projekt scheiterte dann kurz vor dem Bau, wobei auch die städtischen Planungen für den Fuhsering hineinspielten, die auf das Gelände nördlich der Mühle zurückgriffen, dort wo die Gemeinschaftsbäckerei eigentlich errichtet werden sollte.
Stattdessen setzte sich mehr und mehr die Überzeugung durch, die Mühle müsse aus verschiedenen Gründen stillgelegt werden. Im Januar 1965 dann, drehten sich die Walzen in der Neustadtmühle zum letzten mal. Bis zum 1. Juli 1972 wurde die Mühle noch an die Landwirtschaftliche Ein- und Verkaufsgenossenschaft verpachtet und danach endgültig leer geräumt.
Trotz intensiver Bemühungen fand sich keine Möglichkeit das Mühlengebäude sinnvoll zu nutzen, so das es im Sommer 1981 abgerissen wurde. Heute steht auf dem Grundstück ein Alten- und Pflegeheim.
Geschrieben von Jan Wiedenroth